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Die (ausländische) Leihmutter ist die rechtliche Mutter des Kindes

Im Falle einer (im Ausland durchgeführten) Leihmutterschaft ist die Leihmutter die rechtliche Kindesmutter im Sinne des § 1591 BGB. Das Elternpaar, das die Leihmutterschaft durchführen ließ, kann das Kind adoptieren, um dadurch die Rechtswirkungen der Mutterschaft auch für die Frau zu erzielen, welche faktisch als Mutter für das Kind sorgen soll.

BGH, Beschluss vom 20. März 2019 – XII ZB 530/17

Im Zusammenhang mit einer Eintragung im Geburtenregister hatte sich der Bundesgerichtshof zu den rechtlichen Wirkungen der Leihmutterschaft zu äußern. Ein deutsches Ehepaar, welches das gemeinsame Kind durch eine ukrainische Leihmutter austragen ließ, wollte das Geburtenregister dahingehend ändern lassen, dass die Ehefrau als Mutter des Kindes eingetragen wird. Dies lehnte der BGH ab. Nach Auffassung des BGH ist aufgrund der derzeit geltenden Rechtslage die Leihmutter als rechtliche Mutter des Kindes anzusehen.

Für alle Beteiligten stand von vornherein fest, dass das Kind durch die Leihmutter in der Ukraine geboren und dann alsbald nach der Geburt nach Deutschland kommen und dort bleiben sollte. Schon vor der Geburt erkannte der Ehemann die Vaterschaft an. Zudem erklärten beide Eheleute schon vor der Geburt durch sogenannte Sorgeerklärungen gemäß § 1626a BGB, dass sie die Sorge für das Kind gemeinsam übernehmen wollen. Nach ukrainischem Recht gilt eine Leihmutter nicht als rechtliche Mutter des Kindes. Die Leihmutter selbst begehrt auch nicht die rechtliche Mutterschaft. Nach der Geburt registrierte das ukrainische Standesamt das deutsche Ehepaar als die Eltern des Kindes. Auch in der ukrainischen Geburtsurkunde wurden die Eheleute als Eltern eingetragen. Zudem wurden auch im deutschen Geburtenregister zunächst die Eheleute als Eltern eingetragen. Auf Antrag der Standesamtsaufsicht ordnete das Amtsgericht schließlich die Eintragung der ukrainischen Leihmutter als rechtliche Mutter des Kindes an. Die Beschwerden und Rechtsbeschwerden der Eheleute blieben erfolglos.

Nach Auffassung des BGH ergibt sich die rechtliche Mutterschaft der Leihmutter aus § 1591 BGB; denn die Leihmutter hat das Kind geboren. Für die Bestimmung der Mutterschaft sei allein deutsches Recht anwendbar. Dies folge aus der Regelung des Art. 19 Abs. 1 EGBGB. Die Norm sieht drei gleichwertige Alternativen für die Bestimmung der Abstammung des Kindes vor und jede Alternative führe vorliegend zur Anwendung des deutschen Rechts.

Das Heimatstatut der Eltern (Art. 19 Abs. 1 Satz 2 EGBGB) sowie das Ehewirkungsstatut (Art. 19 Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 1) würden hier unzweifelhaft zur Anwendbarkeit des deutschen Rechts führen. Etwas anderes könne sich allenfalls aus dem Aufenthaltsstatut (Art. 19 Abs. 1 Satz 1 EGBGB) ergeben. Jedoch habe das Kind auch seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland. Maßgeblich für die Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts sei der Schwerpunkt der Bindungen der betroffenen Person, also ihr Daseinsmittelpunkt. Dieser sei anhand der tatsächlichen Umstände zu beurteilen und müsse auf eine gewisse Dauer angelegt sein. Gerade bei minderjährigen Kindern sei vorwiegend auf deren Bezugspersonen abzustellen, welche das Kind versorgen und betreuen, sowie deren soziales und familiäres Umfeld. Auch habe die Elternstellung eines zweifelsfrei feststehenden Elternteils sowie eine etwaig sich daraus ergebene Staatsangehörigkeit des Kindes Bedeutung. Unter diesen Umständen sei der gewöhnliche Aufenthaltsort des Kindes hier die Bundesrepublik Deutschland. Denn alle Beteiligten seien sich von Anfang an einig gewesen, dass sich das Kind schon bald nach der Geburt dauerhaft bei den Eheleuten in Deutschland aufhält. Zudem sei die Vaterschaft nach beiden Rechtsordnungen gesichert und der Vater zumindest mitsorgeberechtigt, sodass es der Leihmutter rechtlich schon nicht möglich wäre, das Kind gegen den Willen des Vaters in die Ukraine zu verbringen. Darüber hinaus habe ein gewöhnlicher Aufenthalt in der Ukraine für das Kind zu keinem Zeitpunkt bestanden.

Nach Auffassung des BGH sei der Umstand, dass die Leihmutter die Übernahme der Elternstellung ablehnt, aufgrund der bewusst getroffenen gegenläufigen gesetzgeberischen Entscheidung, wie sie in der Regelung des § 1591 BGB zum Ausdruck komme, nicht ausschlaggebend.

Ich habe versucht, den Kern der Entscheidung zügig darzustellen.

Man könnte die Ausführungen noch ergänzen, bspw. :

(Das sogenannte Heimatstatut der Eltern (Art. 19 Abs. 1 Satz 2 EGBGB) führe nach Auffassung des BGH unzweifelhaft zur Anwendung deutschen Rechts. Denn dieses richte sich im Verhältnis zu jedem Elternteil nach dem Recht des Staates, dem dieser Elternteil angehört; im Verhältnis zum Vater also nach deutschem Recht. Im Verhältnis zur deutschen Ehefrau wäre dies ebenso. Selbst wenn man im Verhältnis zur Leihmutter ukrainisches Recht anwenden würde, führe dies im Ergebnis wiederum zu einer Anwendung des deutschen Rechts, da es insoweit maßgeblich auf die Staatsangehörigkeit des Kindes und im Falle doppelter Staatsangehörigkeit maßgeblich darauf ankomme, mit welchem Staat die betroffene Person am engsten verbunden sei. Es habe von vornherein ein starker Bezug zur Bundesrepublik Deutschland bestanden, da die deutschen Eheleute als Wunscheltern schon aufgrund ihrer deutschen Staatsangehörigkeit einen starken Bezug zur Bundesrepublik Deutschland hatten und zudem alle Beteiligten von vornherein darüber einig waren, dass die Eheleute mit dem Kind bald nach der Geburt nach Deutschland auszureisen, wo das Kind aufwachsen sollte.)

Anmerkung:

Ich finde die Ausführungen des BGH teilweise nicht gut nachvollziehbar, bzw. zirkelschlüssig.

1. Wieso sei nach dem Ehewirkungsstatut „unzweifelhaft“ deutsches Recht anwendbar (Rn. 18)? Die Norm sagt: „Ist die Mutter verheiratet…“, aber genau diese Frage nach der Mutterschaft muss doch noch geklärt werden. Deutsches Recht wäre doch nur dann anwendbar, wenn man die deutsche Ehefrau hier bereits als Mutter gelten lässt, um ihr dann bei Anwendung des deutschen Rechts (§ 1591 BGB) die Mutterschaft wieder abzuerkennen?! Wäre die ukrainische Leihmutter verheiratet, würden sich die Ehewirkungen sicherlich nach ukrainischem Recht richten, also auch ukrainisches Recht für die Abstammungsfrage anwendbar sein; in diesem Fall wäre die Leihmutter aber nicht die rechtliche Mutter des Kindes, weil das in der Ukraine nicht rechtmäßig ist.

In der Folge wäre also eigentlich keine der Frauen die rechtliche Mutter des Kindes, weshalb der BGH hier die Anwendung des deutschen Rechts „unzweifelhaft“ zulässt und die ukrainische Frau quasi zur „deutsch-rechtlichen“ Mutter erklärt. Das ist schon schräg.

2. Bei der Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthaltsortes des Kindes stellt der BGH auch auf die Bezugspersonen des minderjährigen Kindes ab, die das Kind betreuen und versorgen, sowie das soziale und familiäre Umfeld (Rn. 19 mittig). Damit beschreibt er also genau die Aspekte, die für die Bestimmung der Elternschaft m.E. nach wesentlich sind, nämlich das Ziel einer guten Sorge für das Kind. Genau diese Betrachtung führt hier aber wiederum zur Anwendung deutschen Rechts, wonach dann die ukrainische Leihmutter als Mutter anzusehen wäre, obwohl gerade diese nichts mit der Betreuung des Kindes zu tun hat (und selbst auch nicht haben will). Vor diesem Hintergrund wird auch eine gesetzliche Regelung wie § 1626a Abs. 3 BGB „Im Übrigen hat die Mutter die elterliche Sorge“ geradezu absurd, insbesondere wenn gar keine Sorgeerklärungen vorliegen würden usw.

Daran wird doch deutlich, dass die stumpfe Anwendung des Wortlauts des § 1591 BGB jedenfalls in Fällen der Leihmutterschaft zu unvertretbaren Ergebnissen führt und reformiert werden muss. Sofern der Gesetzgeber bei Schaffung des § 1591 BGB die natürliche starke Bindung zwischen Mutter und Kind vor Augen hatte, dürfte diese gerade im Fall der Leihmutterschaft nicht vorliegen (sollen). Das ergibt sich doch schon aus dem Wort „Leihmutter“, die eben nicht die tatsächliche Mutter für das Kind sein soll. Es erstaunt, dass der sonst so kreative BGH das hier so energisch abgesegnet hat.